Wie ich mit Werbung in Erklär mir die Welt umgehe

28. Oktober 2021

Warum schreibe ich diesen Text? Weil die aktuelle Inseratenaffäre zum wiederholten Male zeigt, wie problematisch der Umgang von Medien, Werbekunden und Politik sein kann. Wir Medien sollten immer wieder überprüfen, wie es um die eigene Unabhängigkeit steht, wer uns wie beeinflusst und welche Sicherheitsnetze wir dagegen aufbauen können. Weil ich nicht nur Journalist bin, sondern mit meinem Podcast auch Medienunternehmer, denke ich über dieses Spannungsfeld schon lange nach. Wie ich persönlich damit umgehe:

Erklär mir die Welt finanziert sich wie viele Zeitungen über Werbung und Abos. Bei mir sind es keine echten Abos, sondern freiwillige Geldspenden, weil ich den Podcast immer frei für alle verfügbar halten möchte. Derzeit spenden 350 Menschen in Summe 2.000 Euro pro Monat. Davon bleiben etwa 1.300 Euro brutto übrig nach Abzug aller Gebühren. Als ich die Pläne für dieses Projekt schmiedete, war mir klar: Ich muss Geld damit verdienen.

Eine Mischfinanzierung über Werbung und Spenden war mein Wunsch. Denn nur von Werbung abhängig zu sein ist riskant. Wenn es wirtschaftlich schwierig läuft, sparen Unternehmen oft zuerst dort. Außerdem möchte ich nicht von einzelnen Werbekunden abhängig sein. Nur aus Spenden finanziert zu sein ist für mich auch nicht wünschenswert. Denn so bekommt eine relativ kleine Gruppe an Hörer:innen – nur ein kleiner Prozentsatz spendet – relativ viel Einfluss. 

Rein spenden- oder abofinanzierte Medien widmen sich logischerweise stark Themen, die zahlende Kund:innen interessieren. Die Mischung sorgt für mich für ruhigeres Arbeiten und schmälert die Nachteile. Die Spenden machen 15-25 Prozent meiner Einnahmen aus. Der Großteil der Finanzierung kommt also aus Werbung. 

Agentur macht Vermarktung

Wie funktioniert Werbung in Erklär mir die Welt? Meistens ist das relativ simpel. Unternehmen wenden sich an meine Vermarktungsagentur Missing Link, die im Bereich Vorreiter ist. Diese handelt die Preise und das Paket aus, übermittelt mir Informationen und ich baue daraus eine etwa 45-sekündige Einschaltung, die ich auch selbst vortrage. Warum mache ich das selbst?

Das hat mehrere Gründe. Erstens, es stört meine Hörer:innen weniger, das weiß ich aus einer Befragung. Ich fragte etwa 560 von ihnen, wie sie von mir eingesprochene Werbung finden. 8 Prozent gaben an, dass sie das (sehr) störe. Von jemand anderem eingesprochene Werbung störten hingegen 35 Prozent. Zweitens ist das im Podcasting-Bereich üblich. Jedes Medium hat eigene Logiken und Gewohnheiten. Drittens sind, ehrlicherweise, die Werbeerlöse so wohl höher.

Was mir bei Werbung wichtig ist: Erstens, ich sage immer dazu, dass jetzt eine «entgeltliche Einschaltung» kommt. Sie ist also klar gekennzeichnet. Weil ich sie als Journalist vortrage, versuche ich, dass sie nicht wie «klassische» Werbung klingt. Ich würde nie sagen, kauft das Auto von X oder bei Y gibt es die besten Möbel. Weil Erklär mir die Welt ein Wissens-Podcast ist, versuche ich in der Werbung ebenfalls Wissen zu vermitteln, aber eben über ein Unternehmen oder eine Marke. Wenn das klappt, ist das eine sehr elegante, nicht störende Lösung.

Meine Prinzipien

Ich habe mir folgende Prinzipien für die Werbung in Erklär mir die Welt aufgestellt.

  1. Ich mache keine Werbung, ich veröffentliche Werbung.
  2. Ich halte es wie andere österreichische Medien, die ich gerne mag, etwa Standard, Presse oder Falter. Wenn ich mir denke, die Werbung würde es auch dort geben, ist das im Grunde auch für mich okay.
  3. Als Unternehmer nehme ich mir die Freiheit, mir unsympathische Werbung abzulehnen. Ich habe etwa eine Kryptowährungs-App oder einen Erzeuger von Nahrungsergänzungsmitteln abgelehnt. Ich würde auch keine Ölfirma schalten lassen.
  4. Man kann sich in Erklär mir die Welt nicht “einkaufen”. Das ist wahrscheinlich die Werbe-Anfrage, die ich am häufigsten ablehne: “Wir sponsern dich, dafür lädst du unseren Firmenchef ein.” Das schließe ich prinzipiell aus. Werbepartner haben keinen Einfluss auf die Gäste-Auswahl und auch nicht auf die Fragen, die ich in den Episoden stelle.
  5. Ich halte es mit der taz und lehne sexistische/rassistische Werbung ab.
  6. Werbung kennzeichne ich nach § 26 des Mediengesetzes.

Kooperationen im Podcast

Neben einfachen Spots gibt es in Erklär mir die Welt auch Kooperationen. Das sind Serien, die sich einem Überthema widmen und von einer Organisation gesponsert sind. So ist etwa die Erste Stiftung Kooperationspartner einer Serie über Finanzbildung. Partner wünschen sich ein grobes Thema, etwa Finanzbildung, Klimawandel oder Unternehmertum, die konkreten Themen der Folgen, die Auswahl der Gäste und die Ausgestaltung inklusive aller Fragen obliegt aber natürlich mir. Partner können aber Vorschläge machen.

Journalist und Unternehmer

Eine seriöse Zeitung ist so organisiert, dass einzelne Journalist:innen mit keiner Werbekundin in Kontakt kommen. Bei mir geht das nicht. Denn ich bin Geschäftsführung, Chefredaktion, Redaktion, als auch IT-Mensch und Sekretär in einem. In Abstufungen gibt es das auch bei anderen Medien. So sind die Chefredakteure von Die Presse, Kleine Zeitung und Vorarlberger Nachrichten ebenfalls Geschäftsführer. Ob das gut ist, sei dahingestellt.

Was bei mir aber dazukommt – außer, dass ich eben keine riesige Zeitung betreue, sondern einen kleinen Podcast – ist, dass ich auch Eigentümer bin. Das heißt, Geld, das ich mit Erklär mir die Welt erwirtschafte, ist mein Einkommen. Dafür gibt es in Österreichs Journalismus schon weniger Beispiele, weil es kaum kleine Medien-Start-ups gibt. Mir fällt nur der Chefredakteur des Falter, Florian Klenk, ein, er ist Miteigentümer der Wochenzeitung.

Volle Transparenz

Was heißt das bei mir? Zwar handelt die Agentur Missing Link die meisten meiner Werbedeals aus, manchen Vertrag verhandle ich als Unternehmer aber auch selbst. Vor allem dann, wenn mich jemand per Mail kontaktiert und ich dann so unkompliziert ein, zwei Einschaltungen verkaufen kann. Der Schritt ins Unternehmertum erlaubt mir wahnsinnige journalistische Entfaltungsmöglichkeit. Er ist aber mit potenziellen Interessenskonflikten verbunden.

Darum denke ich seit Tag 1 auch intensiv darüber nach, wie ich meine journalistische Unabhängigkeit wahren kann. Der wichtigste Schritt ist Transparenz. Wie ich mit Werbung umgehe, habe ich zu Beginn in einem Blogbeitrag erklärt und im Podcast besprochen. Außerdem lege ich jeden einzelnen Cent auf meiner Homepage offen, den mir Organisationen für Werbung in Erklär mir die Welt zahlen. Auch alle anderen Einnahmen aus Moderationen, Artikeln, etc. lege ich jedes Jahr zu 100% offen.

Öffentliche Einschaltungen

Am Ende möchte ich noch auf öffentliche Einschaltungen eingehen. Die sind ja wegen der Inseratenaffäre der ÖVP zurecht in Verruf geraten und ein Problem für die Demokratie in Österreich. Ich habe mit ihnen grundsätzlich kein Problem, sofern sie zu obigen Prinzipien passen. Hier kommt für mich noch ein 7.Prinzip hinzu: Ich verhandle dezidiert nicht selbst mit öffentlichen Stellen, also etwa Ministerien oder Parteien. Theoretisch könnte dann nämlich eintreffen, dass ich mit einem Mitarbeiter einer Ministerin verhandle, mit dem ich dann vielleicht einmal für eine Recherche in Kontakt wäre. Das geht nicht.

Diese Werbeverträge und auch alle Anfragen erledigt meine Agentur Missing Link. Welche Fälle gab es bisher? Das Klimaministerium hat Einschaltungen gebucht. Einmal zum Austausch von Heizungen, einmal als Kooperationspartner für eine Klima-Serie. Die Wirtschaftskammer hat Spots zur Bewerbung ihres eigenen Podcasts gekauft, genau wie der Klima- und Energiefonds. Die GemNova, ein Unternehmen des Tiroler Gemeindeverbands, hat eine Initiative für junge Lokalpolitiker:innen in Erklär mir die Welt beworben, das Land Niederösterreich einen Podcast und eine Podcast-Förderung des Landes.

Parteien und Anteil

Ein einziges Mal hat eine Partei eine Werbung in Erklär mir die Welt gebucht, die Neos haben vor der Wahl zum Europaparlament 2019 einen Spot gekauft. Der wurde über meine Agentur Missing Link und nicht persönlich verhandelt und, anders als bei allen anderen Spots, habe ich diesen auch nicht selbst eingesprochen. Ich hatte überlegt, ob ich Werbung von Parteien überhaupt akzeptieren sollte. Weil die aber auch in geschätzten Medien wie dem Falter-Podcast liefen, entschied ich mich dafür.

Welchen Anteil haben öffentliche Buchungen am Umsatz von Erklär mir die Welt? Direkte staatliche Stellen, also Ministerien und Behörden, machen 9 Prozent aus. Zähle ich andere öffentliche Stellen und Interessensvertretungen dazu, sind es 18 Prozent. Das Medienhaus Wien hat in einer Studie erhoben, wie viele staatliche Gelder hierzulande an Medien fließen.

Mein Fazit

Journalismus braucht gute Rahmenbedingungen und Transparenz. Ich habe mir 7 Prinzipien aufgestellt, die die journalistische Freiheit von mir und Erklär mir die Welt sichern sollen. Das Wichtigste: Wer im Podcast zu Gast ist und worüber wir reden bestimme alleine ich. Ich lege außerdem sowohl offen, wie ich journalistisch arbeite, als auch, wie ich mein kleines Medienunternehmen betreibe, wer darin wirbt und wie viel ich damit verdiene.

ZiB-Moderator Martin Thür meinte einmal sinngemäß: Ein Journalist sollte nur Dinge tun, zu denen er öffentlich steht. Das hat sich mir eingeprägt und betrifft natürlich keine hochprivaten Angelegenheiten. Wenn ich etwas mache, frage ich mich also: Ist es okay, wenn jede:r weiß, dass ich das mache? Nur wenn ich die Frage mit Ja beantworten kann, mache ich es auch.

***

PS: Leonhard Dobusch hat auf moment.at sehr gut beschrieben, wie unabhängig unabhängige Medien sind. Daniela Kraus hat in Erklär mir die Welt erklärt, wie sich verschiedene österreichische Medien finanzieren.

Comments are closed.